Die Legende
Das Chrom blitzt, der Mahagonirumpf glänzt satt, das Unterwasserschiff strahlt in Cremeweiß. So schmuck liefen in den 60er-Jahren 18 der Boote täglich vom Band, um von den Reichsten der Reichen, gekrönten Häuptern und dem internationalen Jetset in Empfang genommen zu werden. Mit allen fünf Sinnen müsse man eine Riva erfassen – sehen, hören, fühlen, riechen, schmecken. Schon der Geruch des Mahagonis sei unverwechselbar. Diese Stilikone, dieses tropenhölzerne Denkmal. Wertsteigerung garantiert: Bis zu 600.000 Euro ist eine aufwendig restaurierte Riva wert.

Man könnte sagen,
eine Riva sei ein älteres, temperamentvolles italienisches Motorboot,
das sich bei ruhigem Wetter für kurze Spritztouren zum Strand oder zum
Sonnenbaden in der nächsten Bucht eignet. Man könnte genauso
behaupten, Sophia Loren sei eine temperamentvolle ältere italienische
Dame, die gut Nudeln kocht und sich zur Eröffnung von Filmfestspielen
eignet. Beides ist nicht falsch, trifft aber den Kern der Sache nicht.
Vielmehr ist die Loren eine durchaus anbetungswürdige Filmdiva, die
alles darstellt, was wir mit italienischer Rasse und Klasse verbinden.
Genau wie eine Riva. Es gibt Männer, die verzehren sich nach ihr. In
einem von gesichtslosen Plastikprodukten überschwemmten Bootsmarkt ist
vermehrt ein Trend zum Erwerb von formschönen Klassikern aus Holz zu
erkennen. Dafür nehmen Enthusiasten eine aufwendige Restaurierung in
Kauf. Ja, sie ist sogar Ausweis von besonderer Individualität.
Motorboote aus der Werft von Carlo Riva aus Sarnico am Lago d’Iseo
sind die gesuchtesten Stücke auf dem Markt und werden mit bis zu 600
000 Euro gehandelt.
Zwischen 1951 und 1989 entstanden rund 4200 Rivas, von denen etwa die
Hälfte noch existiert, in manchen Fällen nur noch als Bootsgerippe. Da
jede Riva mit einer Werftnummer versehen und beim internationalen
Riva-Club (www.rivahistorcal.org) registriert ist, läßt sich die
Herkunft genau verfolgen. Rivas waren in den fünfziger und sechziger
Jahren ein unverzichtbares Spielzeug der High Society und prägten die
Häfen von St. Tropez, Cannes und Monte Carlo. Zu Riva-Kunden gehörten
König Faruk und Präsident Nasser von Ägypten, Soraya von Persien,
Prinz Rainier von Monaco und Filmstars wie Sophia Loren, Rita
Hayworth, Richard Burton, Sean Connery und Peter Sellers.
Carlo Riva, heute 86 Jahre alt, suchte seinerzeit nach einem
schnellen, luxuriösen Gefährt für die ruhigen, bei Urlaubern beliebten
oberitalienischen Seen. Nach dem Vorbild des amerikanischen
Cabriolet-Boots entwickelte er ein Speedboat, dessen harmonische, ja
erotische Linien bis heute unerreicht sind. Man sitzt auf Kunstleder,
wird von einer chromumfaßten Plexiglasscheibe geschützt und fühlt sich
hinter dem autoähnlichen Steuerrad wie im Cockpit eines
Straßenkreuzers. Den hinteren Teil des Boots gestaltete Riva als
Liegewiese zum Sonnenbaden. Darunter wummerten für Chris-Craft
marinisierte General-Motors-Benzinmotoren.
Riva-Rümpfe sind nicht nur formschön, sondern auch leicht und steif,
denn Carlo Riva gehörte zu den Pionieren des formverleimten Bootsbaus.
Mehrere dünne Lagen Mahagoni-Holz wurden verleimt und in die Rumpfform
gepreßt. Die Rumpfschale schraubte Riva zur Versteifung auf ein
Spantengerüst. Einzigartig sind die Chromverzierungen und -beschläge:
silbrig schimmernde Lufthutzen, Bugverstärkungen, torpedoförmige
Belegklampen, Scheinwerfer und der rivatypische Signalgeber auf dem
Vordeck mit dem infernalischen Geheul einer Luftschutzsirene. Alle
Chrom-Applikatonen hatte Carlo Riva selbst gezeichnet und anfertigen
lassen. Vier Riva-Typen kamen nach und nach auf den Markt, Tritone,
Ariston, Olympic und Aquarama.